Die Jubiläumskonzerte der Stadtkapelle Schongau: Dirigent Andreas Immler hatte zum Jubiläum ein anspruchsvolles Programm gewählt, und die Musiker der Stadtkapelle haben es perfekt umgesetzt. © Wölfle
Schongau – Eine Reise in ferne Länder, in die Geschichte und sogar ins menschliche Gehirn durften die Gäste der diesjährigen Frühjahrskonzerte der Stadtkapelle Schongau erleben. Sehr anspruchsvoll und dennoch unterhaltsam jagte ein Höhepunkt den nächsten.
Ein sehr erlesenes Programm hatte Dirigent Andreas Immler für das Konzert zum 60-jährigen Bestehen der Stadtkapelle zusammengestellt. Bei einigen Stücken hätten wahrscheinlich selbst Profi-Musiker zu beißen gehabt. Umso bewundernswerter ist es, was die 62 Musiker der Stadtkapelle an den beiden Osterfeiertagen ablieferten. Da blieben die Münder offen, die Augen und vor allem die Ohren wurden groß, die Begeisterung war es auch – die rund 700 Besucher erlebten einen musikalischen Hochgenuss.
Wie Hochwohlgeborene durften sich die Gäste gleich zu Beginn fühlen bei Richard Strauss „Königsmarsch“, der gleichwohl zart und epochal unter die Haut ging. Um die Meisterwerke der Musik voll genießen zu können, bedarf es aber auch an geschichtlichen Einordnungen und Erklärungen. Dafür sorgte bei den beiden Konzerten Kathrin Beckstein, die nicht nur interessante Hintergründe erläuterte, sondern auch ein bisschen aus dem Nähkästchen der Probenarbeit und den Herausforderungen für die Musiker plauderte.
„Hoffentlich kommen unsere Klarinetten knotenfrei aus dieser Nummer raus“, meinte sie beispielsweise vor „Alzira“, einer eher unbekannten Oper von Guiseppe Verdi. Das kamen sie. Mehr noch: Damit hatte sich die Stadtkapelle erst so richtig warmgespielt. Und das war auch nötig, denn nach dem Walzer „Für Mama“ folgte ein Höhepunkt des Abends: „Vergessene Erinnerungen“.
Dieses Stück kannten nicht einmal promovierte Musiker, denn es ist neu. Komponiert vom Ehrendirigenten der Stadtkapelle, Marcus Graf, der darin die Demenzerkrankung seiner Mutter thematisiert und verarbeitet. Dafür hatte er auch eine ausführliche Erklärung dem Programmheft beigelegt, die bereits beim Lesen aufwühlte.
„Das wird eine emotionale Herausforderung für alle Zuhörer, die selbst in irgendeiner Weise von diesem Thema betroffen sind“, meinte auch Beckstein. Denn der gesamte Klangkörper wurde zu Gehirnströmen – ein ständiger Wechsel aus alten Erinnerungen, kurzzeitigem Erkennen, dann wieder Leere. Und das Ganze gepaart mit der Hilflosigkeit der Angehörigen, ihrer Traurigkeit, die mit einem „Huldigungsmarsch“ an die Mutter endet.
Das ging ganz tief rein. Das zeigte auch der anschließende langanhaltende Applaus des Publikums. Kurze Entspannung gab es bei der anschließenden Polka „Lebensfreude“, bevor es mit indianischen Klängen auf Phantasiereise zur ehemaligen Gefängnisinsel „Alcatraz“ ging.
Der zweite Teil des Konzerts wurde traditionell mit flotten Stücken der Jugendkapelle unter der Leitung von Patricia Graf eingeläutet – Nachwuchsarbeit vom Feinsten. Weiter ging es mit der Stadtkapelle mit einem wunderbaren Marsch, bevor es wieder hieß: „Knoten-Alarm!“ Mit „Firework“ und „The Phantom of the Opera“ hatte Immler zwei Stücke ausgesucht, die seinen Musikern wirklich alles abverlangten. „Das hat uns in den Proben schon Nerven gekostet, und wir wussten anfangs nicht, ob wir das wirklich schaffen“, verriet Kathrin Beckstein. Sie haben es geschafft. Und wie.
Die „Bravo-“ und „Wahnsinn“-Rufe aus dem Publikum waren der Beweis. Zum offiziellen Abschluss durfte dann ein Ohrwurm nicht fehlen: „When the Saints go Marchin‘in“ handelt zwar von der Apokalypse, aber so hörte und fühlte es sich zum Glück nicht an. Im Gegenteil, da wackelten die Füße der Gäste synchron mit. Nach dem verdienten und nicht enden wollenden Applaus und drei Zugaben war es dann vorbei: Das ganz besondere Jubiläumskonzert der Stadtkapelle Schongau.
CHRISTINE WÖLFLE